Schmerztherapie rund um die Entbindung

Die Vorstellung, unter der Geburt auf Schmerzmittel zu verzichten, um das noch ungeborene Kind zu schützen, ist in den allermeisten Fällen ein grober Fehler.

Je länger die Schwangere während des Geburtsvorganges unter Schmerzen leidet, weil sie auf geburtserleichternde Maßnahmen verzichten möchte, desto schlechter sind während dieser Zeit die Schwangere und das noch nicht geborene Baby versorgt.
 

  • Starke Schmerzen während der Wehenphasen sorgen dafür, dass das Ungeborene schlechter mit Blut und Sauerstoff versorgt wird.
  • Starke Schmerzen während der Wehenphasen sorgen dafür, dass sich die Schwangere später nur mit Schrecken an diese Phase zurückerinnert.
  • Starke Schmerzen während der Wehenphasen sorgen dafür, dass die Schwangere nach der Geburt des Kindes völlig erschöpft ist und das Ereignis der Geburt gar nicht in allen Aspekten erleben kann.

Eine gute und rechtzeitig durchgeführte Schmerztherapie bewirkt, dass die Schwangere über eine wesentlich kürzere Dauer von Schmerzmedikamenten Gebrauch machen wird.

Geburtserleichternde Maßnahmen

Das Empfinden von Schmerzen unter der Geburt ist individuell verschieden und von vielen Faktoren abhängig, wie zum Beispiel dem Schwangerschaftsverlauf, der persönlichen Vorgeschichte, der Dauer des Geburtsverlaufes, den Ängsten und vielen anderen mehr. Hierin begründet sich auch ein sehr individuelles Bedürfnis nach geburtserleichternden Maßnahmen. Wehen entstehen durch die Ausschüttung von körpereigenen Hormonen. Hierbei zieht sich die Gebärmutter regelmäßig zusammen und schiebt so das Kind durch den Muttermund und den Geburtskanal. Einwirkungen anderer Hormone verbessern die Dehnungseigenschaften des Muttermundes und der Scheide. Körpereigene Stoffe sorgen dafür, dass die Schmerzempfindung unter der Geburt und der Dehnungsschmerz am Muttermund herabgesetzt sind.
 

Wenn dieses nicht ausreicht, um den Wehenschmerz genügend zu mindern, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Patientinnen ohne Medikamente mit Zuwendung, Beistand und alternativen und medizinischen Mitteln zu helfen. Das Einnehmen verschiedener Positionen und eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit unter der Geburt können das Empfinden von Schmerzen herabsetzen. Ebenso hilft vielen Frauen das warme Wasser eines Bades zum Entspannen und Krampflösen. Hilfreich ist auch, wenn die Schwangere einen Geburtsvorbereitungskurs besucht hat.

Für viele, allerdings nicht alle, Frauen ist es wichtig zur Geburt vom Partner begleitet zu werden. Er kann dann, insbesondere wenn Sie eine gemeinsame Geburtsvorbereitung besucht haben, durch Zuwendung und Massage dazu beitragen, dass Sie sich besser entspannen können.  Alternativ kann auch die Begleitung durch eine andere vertraute Person z.B. eine Freundin, zum Wohlergehen beitragen.

Akupunktur kann das Schmerzempfinden unter der Geburt herabsetzen, indem mit dünnen Nadeln an speziellen Punkten ein Reiz gesetzt wird. Besonders günstig wirkt sich Akupunktur aus, wenn Sie sie bereits im Vorfeld kennen gelernt haben. Sofern Sie für das Thema Homöopathie zugänglich sind, können homöopathische Medikamente für die verschiedenen Phasen und Situationen unter der Geburt eine Hilfe sein.

Gelegentlich wird Butylscopolamin (Buscopan®) als geburtserleichterndes Mittel empfohlen. Die entspannende Wirkung ist aber meist viel zu gering. In manchen Bereichen wird unter der Geburt noch auf die Inhalation von Lachgas – Gemischen zurückgegriffen. Hiervon ist wegen möglicher Nebenwirkungen auf Schwangere und Kind aber abzuraten.

Die Epiduralanästhesie oder Periduralanästhesie (Teilbetäubung von Nerven) ist die wirkungsvollste Art der geburtshilflichen Schmerzlinderung. Sie sollten diese Methode schon vor dem Entbindungstermin kennen und sich vorher darüber informieren. Sollten die Schmerzen unter der Geburt für die Patientin nicht tolerierbar sein, kann jederzeit, nach entsprechender Aufklärung, die Epidural (EDA) – oder Periduralanästhesie durch den Narkosearzt (Anästhesisten) gelegt werden. Der Vorteil für Sie ist, dass hiermit eine weitestgehende Schmerzfreiheit erreicht wird, ohne dass Ihr Bewusstsein beeinträchtigt wird. Im Gegensatz zu früher kann man trotz EDA aufstehen (Walking EDA) und sich ungehindert bewegen.

Besonders bei sehr lange dauernden und sehr schmerzhaften Geburten wird auch der Geburtsverlauf günstig beeinflusst. Die Muttermundöffnung zum Beispiel erfolgt oft schneller und weniger schmerzhaft.

Bei der Epidural - oder Periduralanästhesie wird im unteren Rückenbereich ein Lokalanästhetikum zwischen zwei Lendenwirbeln in den Wirbelkanal (genauer: den Epiduralraum, der zwischen Wirbelkanal und der äußeren Hülle des Rückenmarks liegt) gespritzt, wodurch eine Betäubung etwa vom Bauchnabel abwärts erreicht wird. Die Wirkung setzt nach 5-10 Minuten ein. Da es sich um eine Teilbetäubung, auch Regionalanästhesie genannt, handelt, erlebt die werdende Mutter die Geburt auf Wunsch bei vollem Bewusstsein. Es kann auch ein leichtes Beruhigungsmittel gegeben werden, wenn man die Wachheit nicht möchte. Die Dosis des Lokalanästhetikums wird so gewählt, dass der Geburtsschmerz weitgehend ausgeschaltet ist, jedoch die Beine und die Bauchmuskulatur weiterhin aktiviert werden können (wichtig für das Pressen).
 

Um die Schmerzlinderung auch über Stunden aufrecht erhalten zu können, wird vor Entfernung der Injektionsnadel ein dünner, flexibler Katheter eingeführt und mit einer Klebefolie am Rücken befestigt. Diesen Katheter merken Sie, auch wenn Sie auf dem Rücken liegen, überhaupt nicht, weil er extrem dünn ist. Durch den Katheter können im Verlauf der Geburt weitere Medikamente (Lokalanästhetikum, Opiate) nach Bedarf gegeben werden.

Bei den meisten Frauen wirkt diese Form der Schmerzausschaltung sehr gut mit relativ geringen Nebenwirkungen, wie z.B. Juckreiz. Schmerzen werden stark reduziert oder ganz ausgeschaltet. Es brauchen keine zusätzlichen Schmerzmittel mehr angewandt zu werden, falls ein Dammschnitt (Episiotomie) erforderlich ist, bzw. nach der Entbindung genäht werden muss.

Auch ein notfallmäßiger Kaiserschnitt kann nach Dosiserhöhung über den EDA-Katheter ohne zusätzliche Narkose durchgeführt werden. Speziell ein Kaiserschnitt ist für die Ärzte heute Routine, für die Schwangere ist es aber eine große Operation, die in der Folge naturgemäß starke Schmerzen mit sich bringen kann. Es ist unsinnig und nachteilig, auf Schmerzmittel nach einer solch großen OP zu verzichten.
 

Wichtig:
Viele Schwangere, die eine „natürliche“ Geburt wünschen, schließen schon im Vorfeld jegliche geburtserleichternde Maßnahmen aus. Sie unterschreiben z.B. dem Anästhesisten, der ihnen bei der Kreissaalbegehung die Möglichkeiten geburtserleichternder Maßnahmen, z.B. die Epiduralanästhesie, vorstellt und Sie darüber aufklären will, dass sie diese Maßnahmen auf keinen Fall wünschen. Damit der Anästhesist in dem Fall, dass Ihnen während der Geburtsphase die Schmerzen doch zu stark werden, helfen kann und darf, sollten Sie bei dieser zunächst von Ihnen ausgesprochenen Ablehnung den Zusatz „derzeit“ mit aufnehmen lassen.

Dann können Sie, weil Sie ja schon über das Verfahren aufgeklärt sind, trotz der primären Ablehnung dieser Technik, bei allzu stark werdenden Schmerzen und vor dem Eintreten völliger Erschöpfung, eine Epiduralanästhesie erhalten.
 

Mit bestem Dank an den Autor Peter Hoffmann