Schmerzmittel und ihre Gefahren

Schmerzmitteln - Fluch und Segen zugleich?

Schmerzmittel (Analgetika) sind für viele Patienten ein Segen, helfen diese uns doch trotz Schmerzen unser tägliches Leben zu meistern. Mit ihnen ist es möglich, sich wieder für Familie, Freundschaften, Hobbies und Arbeit zu engagieren, ohne ständig durch unerträgliche Schmerzen daran gehindert zu werden. Obwohl die sogenannten „Painkiller“ intensiv beworben werden, können diese bei weitem nicht immer das halten, was versprochen wird, ja sie können uns sogar gesundheitlich schädigen. So wird von Experten angenommen, dass die regelmäßige unkontrollierte Einnahme von Schmerzmitteln zu Nieren- und Leberschäden führen kann. Selbst wenn es sich um ein rezeptfreies Schmerzmittel handelt kann es den Körper bei unsachgemäßem Gebrauch schädigen. Den Schmerz als Warnsignal ständig zu „betäuben“, kann auch aus einem akuten Schmerz einen chronischen machen.

Ob vom Arzt verschrieben oder auch frei verkäufliche Schmerzmittel können diese abhängig machen. Man schätzt, dass in Deutschland 1 bis 2 Millionen Menschen medikamentenabhängig sind. Hierbei gehören Medikamente zur Schmerzbekämpfung mit zur größten Gefahrengruppe.

Gefahren bei unsachgemäßem Gebrauch

Besonders bei zentral, d.h., im gesamten Gehirn und Nervensystem wirksame Schmerzmittel, wie bei Opioiden, besteht die Gefahr der Abhängigkeit bei nicht sachgemäßem Gebrauch. Opioide haben eine allgemein dämpfende aber manchmal auch eine euphorisierende (psychisch aufhellende) Wirkung auf den Menschen, sodass Stimmungen wie Ängste oder Traurigkeit, zunächst verringert werden. Beide „Neben“-Wirkungen von Opioide sind jedoch meistens nur zu Beginn einer Therapie stärker ausgeprägt. Nicht selten können sich nach wenigen Tagen sogar die schmerzdämpfenden Eigenschaften verringern oder gar verschwinden. Oft wird dann die Dosis erhöht, um doch wieder eine Schmerzdämpfung zu erreichen.
 

Hier ist es wichtig zu unterscheiden:

  • wird das Medikament einfach nur schneller vom Körper ausgeschieden oder
  • wurde durch die anfängliche Dämpfung der Selbstwahrnehmung nur die Schmerzwahrnehmung reduziert aber nicht der Schmerz selbst.

Wichtig ist es, im Verlauf einer Schmerztherapie mit Opioiden die Wirksamkeit häufiger zu überprüfen und bei Wirkverlust entweder ein anderes Präparat auszuprobieren (Opioid-Rotation) oder aber das Opioide zu reduzieren bzw. auszuschleichen.

Aber auch nicht-opioidhaltige Schmerzmittel haben ihre Schattenseite. Bei unsachgemäßem Gebrauch können körperliche Schäden entstehen. Diese reichen von allergischen Reaktionen über Magengeschwüre zu Nieren-, Leber- oder Herzkreislaufproblemen. Es wird geschätzt, dass über 10% der dialysepflichtigen Nierenerkrankungen durch die unsachgemäße Einnahme von Schmerzmitteln verursacht wurden. Selbst zusätzliche Schmerzen kann die regelmäßige Einnahme von Medikamente bewirken. Ein typisches Beispiel ist der sogenannte „analgetika-induzierte Kopfschmerz“, der für über 5% aller Kopfschmerzen verantwortlich sein soll.
 

Wichtig!
Bei einer mit ihrem Arzt abgestimmten Einnahme von Schmerzmitteln sind in der Regel weder Abhängigkeit noch Organschäden zu befürchten.

Abhängigkeit und Sucht

Sucht ist die uns allen bekannte Neigung, das zu wiederholen, was uns einmal gut getan hat oder was das Gegenteil verhindert. So ist ein erster Griff in die Tüte mit Kartoffel-Chips häufig nicht der letzte. Wollen wir immer mehr davon, wollen das Erlebte wiederholen, so verlieren wir über dieses Verhalten allmählich die Kontrolle. Wiederholen wir das Verhalten ohne viel zu überlegen quasi automatisch, so ist die Schwelle zur Sucht erreicht.

Die Grundlage für manches Suchtverhalten ist nicht selten bereits in der Kindheit erlernt worden. Es ist durchaus möglich, dass man sich das Verhalten der Eltern einfach nur abschaut oder aber durch andere kindliche Erfahrungen empfänglicher ist, eine Sucht zu entwickeln. Süchte können sich auf ein bestimmtes Verhalten (z.B. Spielsucht, Arbeitssucht bei workoholics, Internetsucht, Sexsucht u.v.m.) beziehen, also „stoffungebunden“ oder aber auf die Zufuhr von Substanzen („stoffgebunden“) auftreten. Bei den stoffgebundenen Substanzen spricht man von Drogen, unabhängig, ob diese „illegal“ wie Cannabis, Cocain, Heroin oder aber „legal“ wie Alkohol, Nikotin oder verschriebene Medikamente sind.
 

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) kann man von (stoffgebundener) Sucht sprechen, wenn bei einem Menschen im vergangenen Jahr drei der folgenden Verhaltensweisen beobachtet werden konnten:

  • Es besteht ein starker Wunsch oder Zwang den Stoff/Wirkstoff zu konsumieren
  • Es besteht eine verminderte Kontrollfähigkeit bis zum Verlust der Kontrolle, wann konsumiert wird, wann damit aufgehört wird und wieviel man von dem Stoff (Droge) zu sich nimmt.
  • Es lassen sich körperliche Entzugserscheinungen wie Unruhe, Schweißausbrüche, Zittern oder Schmerzen feststellen, wenn nicht konsumiert wird.
  • Es lässt sich eine Toleranz feststellen, das heißt, es muss immer mehr von der Substanz konsumiert werden, um den gleichen Effekt zu erzielen.
  • Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder  Interessen zugunsten des Konsums sowie ein erhöhter Zeitaufwand, um zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen
  • Obwohl negative Folgen entstehen wird weiter gemacht

Übrigens, das Wort „Sucht“ stammt von „(dahin-) siechen“ ab.

Medikamentenfehlgebrauch

Eine Angewohnheit wird dann gefährlich, wenn wir sie immer wieder durchführen, ohne darüber nachzudenken. Zum Beispiel kann der automatisierte Griff zu Schmerzmitteln bei „einfachen“ Kopfschmerzen, ohne vorher nicht-medikamentöse Linderung zu versuchen, dazu führen, dass der Schmerz durch eben dieses Verhalten aufrechterhalten wird.

Wenn man als Sportler vor einem Wettkampf bereits Schmerzmittel einnimmt, in der Erwartung, dass Schmerzen auftreten werden oder aber noch Schmerzen vom letzten Wettkampf bestehen und man sich nicht die Zeit nimmt, diese erst einmal auszukurieren, ist dies offensichtlich ein Fehlverhalten. Ebenso ist die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln, um fit für die Arbeit, den Wochenendausflug oder sonst eine Aktivität zu sein, selbstgefährdend. Wenn Schmerzmittel eingenommen werden, um besser schlafen zu können, weil diese ja müde machen (Opioide u.a.) besteht ein nicht der Bestimmung des Medikaments – der Indikation - entsprechender Gebrauch und damit ein Fehlgebrauch. Wenn ich aus Angst vor einer Auseinandersetzung oder weil ich traurig bin Schmerzmedikamente einnehme, ist der Einsatz des Medikamentes als Fehlgebrauch einstufen. Schmerzmittel werden oft aus Hilflosigkeit eingenommen auch dann, wenn sie kaum eine Wirkung zeigen. Der Übergang vom Fehlgebrauch zur Abhängigkeit ist dabei nicht immer klar abzugrenzen, häufig auch vom verschreibenden Arzt nicht richtig oder rechtzeitig erkannt.
 

Warnung!
Bei Medikamenten, die auf das Gehirn wirken, kann sich die Wirkung durch Alkohol so verstärken, dass lebensgefährliche Reaktionen möglich sind.

Wie kann ich Schmerzmittelmissbrauch verhindern?

An erster Stelle steht hier eine (selbst-)kritische Vorgehensweise. In dieser sollten sich sowohl Arzt als auch Patient über die realistischen Möglichkeiten, Dauer, Grenzen und Ziele einer medikamentösen Schmerztherapie klar sein. Gemessen an den so gemeinsam erarbeiteten Zielen kann der sachgemäße Einsatz der Medikamente erfolgen und in seiner Wirksamkeit überprüft werden. Hier ist eine verantwortungsvolle und offene Kommunikation von beiden Seiten wichtig. Werden die Ziele erreicht, so ist alles gut. Ist das aber nicht der Fall, so sollte dies erneut besprochen werden und ein alternatives Vorgehen gemeinsam abgestimmt werden.
 

Wichtig ist bei der sachgemäßen Einnahme von Schmerzmitteln, sich über Folgendes bewusst zu sein:

  • Die Medikamente so einnehmen, wie sie verordnet wurden. Auf keinen Fall ohne Absprache die Dosierung oder die Einnahmeintervalle verändern.
  • Neben einigen Medikamenten, bei denen eine schmerzlindernde Wirkung erst nach einer sogenannten Eindosierungsphase zu erwarten ist, sollten Medikamente nicht eingenommen werden, wenn keine ausreichend schmerzlindernde Wirkung einsetzt.
  • Eine dauerhafte Schmerzmitteleinnahme ist nur dann sinnvoll und vertretbar, wenn sie zu einer Reduktion der Schmerzen um mindestens 1/3 führt. Sprechen Sie dies mit ihrem behandelnden Arzt ab und lassen Sie sich ggf. Alternativen aufzeigen.
  • Sind Ihnen Opioide verschrieben worden, so gilt ebenfalls das zuvor gesagte. Nur weil es Opioide sind, helfen diese (leider) nicht gegen alle Arten von Schmerzzuständen.
  • Hinzu kommt, das Opioide nicht selten ihre zunächst verspürte Wirkung verlieren und eine zunächst befriedigende Wirkdosis nicht mehr ausreicht. Hier wird häufig eine Dosissteigerung der Medikamente in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen als notwendig empfunden, um die einstige Wirkung zu erzielen (Gewöhnung/Toleranz).
  • Viele der heute verschriebenen starken Schmerzmittel (Opioide) wirken nicht oder nicht ausreichend bei chronischen Schmerzen. Experten empfehlen deshalb, die Wirksamkeit von Opioiden nach einer gewissen Zeit zu überprüfen, indem man sie nach 3 bis 6 Monaten probeweise reduziert/ausschleicht.
  • Das gleiche gilt für Produkte aus medizinischen Hanf (Cannabinoide). Derzeit gibt es noch keine ausreichende Erfahrung mit dem Wirkstoff in der Schmerztherapie.

Eine gute Methode, welche vor einem Medikamentenfehlgebrauch und vielleicht entstehender Abhängigkeit und Sucht schützt, ist, sich seiner eigenen Möglichkeiten, die Schmerzen zu beeinflussen, bewusst zu werden (Selbstwirksamkeit). Hier kann ein multimodaler Ansatz einer Schmerztherapie, durch den man neben Medikamenten auch andere Methoden der Schmerzbewältigung erlernen kann helfen. Auf alle Fälle sollte man mit dem behandelnden Arzt offen über seinen Medikamentengebrauch und –verbrauch sprechen.
 

Mit bestem Dank an den Autor Nicolas Jakobs