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Schmerz und Ernährung
Die Ernährungstherapie hat in letzter Zeit immer mehr an Bedeutung im Rahmen von Schmerzerkrankungen gewonnen und wird auch in der Rheumatologie mehr beachtet. Die Wirkung von Nährstoffen und der Ernährungsumstellung ist in Studien belegt. Um den Effekt von Ernährung zu verstehen ist es sinnvoll sich mehrere Stoffwechselvorgänge im Körper genauer anzusehen.
Die Stille Entzündung (silent inflammation)
Als ein wichtiger Aspekt bei Schmerzerkrankungen wurde in letzter Zeit die „Stille Entzündung“ (englisch: silent inflammation) erkannt. Hierunter versteht man eine im Körper ablaufende Entzündung, die zwar im Blut technisch messbar ist, aber nicht immer zu den entzündungs-typischen Beschwerden führt – Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerz. Man beschreibt diese Entzündung als „unterschwellig“. Fettgewebe gibt solche entzündlichen Botenstoffe zum Beispiel ins Blut ab.
Oxidativer Stress
Hierunter sind Stoffwechselvorgänge im Körper gemeint, die Körperzellen und letztlich das Gewebe schädigen. Substanzen, die gegen diesen Stress wirken, nennt man „antioxidativ“. Dieser oxidative Stress entsteht über freie Radikale, die über Stoffwechselvorgänge die Schäden an Zellwänden und anderen Körperstrukturen auslösen.
Blutzucker und NF-κB
Einfache Kohlenhydrate wie Glucose und Fruktose führen zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel. Nach einer Mahlzeit ist das normal, langanhaltend hohe Mengen Zucker im Blut sind hingegen ungünstig und regen Entzündungsprozesse an. Dem körpereigenen Botenstoff NF-κB kommt besondere Bedeutung zu teil. Er wird durch das Essen im Allgemeinen aktiviert – aber besonders der erhöhte Blutzuckerspiegel führt zu einer verstärkten Bildung von NF-κB. Praktisch bedeutet dies: Ein hoher Konsum von einfachen Kohlenhydraten begünstig die Entwicklung der oben genannten stillen Entzündung.
Die Darmflora
Als Darmflora werden die Bakterien innerhalb des Darms bezeichnet. Diese reagieren auf die Ernährung und Umwelteinflüsse. Die Darmflora hat Wirkung auf die menschlichen Darmzellen und über den Darm auf den gesamten Menschen.
Die Ernährung wirkt nun unter anderem über diese und auf diese Strukturen und Vorgänge. Hierüber kann mittels Ernährung auf Schmerzerkrankungen eingewirkt werden, und zwar sowohl auf die entzündlichen Schmerzerkrankungen – wie der bei der Gichterkrankung, der entzündlichen Gelenkserkrankung (z. B. die rheumatoide Arthritis), den Kollagenosen (Entzündungen im Bindegewebe) – wie auf Verschleiß (Arthrose) und anderen Schmerzerkrankungen.
Wichtiger Baustein: Die Vollwert-Ernährung
Mit den Lebensmitteln, wie sie z. B. im Rahmen einer mediterranen (Länder im Mittelmeerraum) Vollwert-Ernährung verwendet werden, können Entzündungsprozesse eher vermieden bzw. gehemmt werden. Die mediterrane Vollwert-Ernährung ist überwiegend vegetarisch, also pflanzenbetont. Das bedeutet konkret: Gemüse, Obst, pflanzliche Öle, Nüsse, Fisch und bestimmte Kohlenhydratlieferanten, die hier hauptsächlich gegessen werden, haben antientzündliche Effekte.
Die Ballaststoffe aus Gemüse und Obst im Rahmen einer anti-entzündlichen Ernährung haben eine wichtige Bedeutung für eine schmerzreduzierende Ernährungsweise: Vereinfacht ausgedrückt sind viele Ballaststoffe direkte Nährstoffe für die Dickdarmbakterien. Und die Dickdarmbakterien liefern Nährstoffe (die Fettsäuren Butyrat und Propionat) für die Darmzellen. Diese Nährstoffe wirken sich wiederum im günstigen Sinne auf die Aktivität von NF-κB in den Darmschleimhautzellen aus. Bei Patienten mit chronischen Darmentzündungen konnte durch den vermehrten Konsum von Gemüse und Obst eine verminderte Aktivität dieses entzündungsfördernden Proteins in den Darmzellen beobachtet werden.
Die Vermeidung von schnell aufgenommenen Kohlenhydraten (Weißmehl, helle Nudeln) zählt zum anti-entzündlichem Essen durch die Vermeidung einer Hyperglykämie (vermehrter Blutzuckergehalt). Die Qualität der Kohlenhydrataufnahme kann durch komplexe Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten verbessert werden. Die darin enthaltenen Ballaststoffe, die auch in Gemüse, Obst, Nüssen und Ölsaaten vorkommen, vermeiden einen zu starken Blutzuckeranstieg.
In der Ernährung kommt neben den Ballaststoffen und den Kohlenhydraten einer weiteren Gruppe besondere Bedeutung zu: den sekundären Pflanzenstoffen.
Die sekundären Pflanzenstoffe sind die Farb-, Duft-, Aroma- und Bitterstoffe, die im Gemüse, Obst aber auch Nüssen und Ölsaaten, kaltgepressten Pflanzenölen und Kräutern vorkommen.
Fleischkonsum reduzieren
Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen hat sich eine eher fleischarme, am besten sogar eine vegetarische Ernährung, mit der zusätzlichen Verwendung von Omega-3-Fettsäure-reichen Fisch (Makrele, Hering, Wildlachs), bewährt. Die Omega-3-Fettsäuren weisen eine entzündungshemmende Wirkung auf. Aus diesem Grund sollten auch eher Lein-, Walnuss- und Rapsöl verwendet werden. Demgegenüber fördert die Arachidonsäure, eine Omega-6-Fettsäure, aus anderen tierischen Lebensmitteln, Entzündungen.
Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme
Eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme von 1,5 – 2 Liter pro Tag ist wichtig, nicht nur um die Verluste über Schweiß, Urin und Stuhlgang auszugleichen. Ein Flüssigkeitsmangel kann auch die Schmerzempfindlichkeit erhöhen. Der genaue Mechanismus ist noch nicht herausgefunden worden. Eine mögliche Erklärung ist, dass über die verminderte Flüssigkeitsmenge im Körper eine höhere Cortisolkonzentration (Hormon der Nebenierenrinde) im Blut auftritt. Diese höhere Konzentration führt dann zu einer gesteigerten Schmerzwahrnehmung. Bei Kopfschmerzen hat sich eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme als sehr hilfreich gezeigt, so dass dann unter Umständen weniger Schmerzmitteln benötigt werden.
Der nötige Flüssigkeitsbedarf des Körpers sollte idealerweise mit Mineralwasser, Leitungswasser und ungesüßten Kräuter- bzw. Früchtetees gedeckt werden.
Normales Körpergewicht
Ein normales Körpergewicht hat ebenfalls einen positiven Effekt auf Schmerzen, nicht alleine das höhere Gewicht, das auf Gelenke und Knochen einen stärkeren Druck ausübt, ist ein Faktor. Generell setzt das Fettgewebe entzündungsfördernde Substanzen, wie Leptin und Cytokine frei. Eine Gewichtsreduzierung, insbesondere der Fettmasse, führt dazu, dass weniger Leptin und Cytokine freigesetzt werden. Diese unterschwellige Entzündung greift die Zellmembrane und das Erbgut an. Eine langfristige und bedarfsgerechte Ernährungsumstellung ist damit ein guter Garant für weniger Schmerzen.
Fasten
Als Einstieg in die mediterrane Vollwert-Ernährung hat sich das Fasten bewährt. Manche Rheumatiker, Patienten mit Fibromyalgie und Migränepatienten erleben bereits während der Fastenzeit eine Verringerung der Schmerzen. Diese schmerzstillende Wirkung des Fastens kann erfahrungsgemäß mindestens ein halbes Jahr anhalten. Fasten bedeutet in diesem Fall, einen bewussten Verzicht auf feste Lebensmittel und mindestens 3 Liter kalorienfreie Getränke pro Tag. Während des Fastens wird überschüssiges Bauchfett abgebaut und damit werden die entzündungsfördernden Botenstoffe (Interleukine und der Tumornekrosefaktor-alpha) verringert. Das bereits erwähnte Protein NF-κB, das bei Nahrungsaufnahme immer eine Entzündungskaskade auslöst, wird beim Fasten nicht gebildet. Der Effekt, dass weniger entzündungsfördernde Botenstoffe entstehen und der zweite Effekt im Fasten, dass mehr Serotonin verfügbar ist, führt sowohl zu einer stimmungsaufhellenden und appetitvermindernden Stoffwechsellage. Das bedeutet: die Schmerzempfindlichkeit reduziert sich. Der sogenannte Reinigungsprozess des Fastens zeigt sich auch deutlich an der gesteigerten Autophagie. Autophagie ist ein Selbstverdauungsgramm unserer Körperzellen, bei dem überflüssige und störende Bestandteile (defekte, fehlgeformte Proteine und andere funktionsunfähige Zellbestandteile) während des Fastens abgebaut werden. Das alles führt dazu, dass es zur Verbesserung von schmerzhaften Grunderkrankungen, wie Rheuma und Arthrose kommen kann.
Die Länge der Fastenzeit sollte mit dem behandelnden Arzt abgestimmt und von ihm begleitet werden. Ideal für das Fasten wäre, mindestens den Beginn in eine berufsfreien Zeit zu legen.