Geschichte der Schmerzmedizin

Zu den Ur-Erfahrungen des Lebens gehört der Schmerz. Schon seit Anbeginn der Menschwerdung versucht der schmerzgeplagte Mensch Mittel und Wege zu finden, diesen zu bekämpfen. Kein Wunder, dass er dabei die Hilfe von Magie, Religion oder erste Heilkunst in Anspruch nahm, denn der Mensch der Frühzeit fühlte sich dieser „unbekannten Kraft“ ausgeliefert.

Schmerzmedizin in der Frühgeschichte und Antike

Schmerz galt in der Frühgeschichte als dämonisches Übel oder Strafe der Götter. Medizinmänner oder Priester versuchten z.B. mit manipulativer Beeinflussung (Rituale), Tätowierungen, Amuletten und Götzenbildern entweder vor dem Schmerz zu schützen oder ihn „auszutreiben“. Zu den ersten Schmerzmitteln gehörten mineralische, pflanzliche und tierische Tinkturen, Salben und Heiltrunke. Funde aus der Steinzeit (um 10.000 v. Chr.) lassen vermuten, dass gebohrte Löcher in menschlichen Schädeln andeuten, dass hier Kopfschmerzen behandelt wurden, da diese Methoden bei einigen afrikanischen Volksgruppen auch heute noch angewendet wird. Dabei soll durch die Öffnung auch der „böse Geist“ entweichen.
 

Die frühesten Zeugnisse der Behandlung von Schmerzen datieren aus der Zeit 4000 v. Chr., wo man Inschriften über Rezepturen und Beschwörungsformeln für die Behandlung von Kopfschmerzen fand.

Auch die Verwendung des aus dem getrockneten Milchsaft des Schlafmohns gewonnenen Opiums als Schmerzmittel, ist aus dieser Zeit dokumentiert. Der schmerzmedizinische Nutzen von Cannabis (Hanf) taucht etwa 2000 v. Chr. in alten hinduistischen Texten auf, soll aber lt. Überlieferungen schon um 5000 v. Chr. im alten China bekannt gewesen sein.

In der Antike (800 v. Chr. bis ca. 600 n. Chr.) galten als die bekanntesten Rezepturen für die Schmerzbehandlung neben Opium, das Schwarze Bilsenkraut und die Gemeine Alraune sowie der Saft der Weidenrinde, aus dem das spätere „Aspirin“ gewonnen wurde. Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.), ein griechischer Universalgelehrter, hielt das Herz für das Zentrum aller Sinne und damit auch der Schmerzempfindung, obwohl es in seiner Zeit schon die Erkenntnis gab, dass es eine anatomische Verbindung zwischen den Sinnesorganen und dem Gehirn gibt. Um ca. 400 v. Chr. wurden die religiösen und übernatürlichen Ansichten bei Schmerz durch den Arzt und Lehrer Hippokrates erstmals in Frage gestellt. Er war der Überzeugung, dass der Schmerz im Gehirn entsteht und Krankheiten eine natürliche Ursache hätten, die auch ohne rituelle Zeremonien und Zaubereien geheilt werden könnten. Es war die Geburtsstunde der rationalen Medizin, die auf die genaue und wiederholte Verlaufsbeobachtung von Krankheit und Behandlung setzte.

Hippokrates selbst sah die Ursache von Schmerzen in einem Ungleichgewicht von „Körpersäften“ (Blut, Lymphe, schwarze und gelbe Galle, Wasser). Der nach ihm benannte „Eid des Hippokrates“ war ein ärztliches Gelöbnis gegenüber Gesundheitsgottheiten, dem Kranken niemals zu schaden. Der Eid gilt als erste Formulierung einer ärztlichen Ethik (moralisches Handeln). Der griechische Philosoph Platon (427-348 v. Chr.) unterschied schon in seinem philosophischen Werk „Timaios“ zwischen seelischen und körperlichen Schmerzen. Ersterer Schmerz sollte vor allem durch geistige Betätigung zu heilen sein.
 

Schmerzmedizin im Mittelalter und Neuzeit

Eine Hilfe bei Schmerzen erfuhren die meisten Menschen im Frühmittelalter durch „Kräuterfrauen“, Mönche und Nonnen (z.B. Hildegard von Bingen, 1098-1179) , die ihr Wissen über Pflanzen und deren medizinischen Nutzen über Jahrhunderte gesammelt, dokumentiert und weitergegeben haben. So wurde z.B. ein mit Opium-, Alraunen-, Bilsenkraut- und Schierlings-Auszügen getränkter Schwamm („Schlafschwamm“) oder Trunk („Schlaftrank“) verabreicht, dessen betäubende, schlaffördernde, muskelentspannende und schmerzausschaltende Wirkung für Behandlungen u.a. von Knochenbrüchen, äußeren Geschwüren und bei der Entfernung von Gliedmaßen genutzt wurden. Badeknechte, Wundärzte, Barbiere und Krankenpfleger waren die „Ärzte der kleinen Leute“ und führten kleinere Operationen durch. Erst mit Gründung von Universitäten wurde der Berufsstand der Ärzte akademisch. Die erste medizinische Fakultät im deutschsprachigen Raum wurde 1388 in Heidelberg gegründet.

Paracelsus (1494-1541) war ein Schweizer Arzt und Naturphilosoph. Er widmete sein ganzes Leben der Suche nach den Ursachen von Krankheiten und deren Heilung mit natürlichen Mitteln. Die Ursachen von Krankheiten basieren seiner Meinung nach auf fünf Krankheitseinflüssen: Gestirne, Gifte, Konstitution, Geister und der Einfluss Gottes. Sein wichtiger Beitrag zur Arzneimittellehre war die Aussage, dass jede Substanz der Gesundheit schaden kann und alles nur eine Frage der Dosierung sei.

Hans von Gersdorff, ein deutscher Wundarzt, veröffentlichte 1526 eine Schrift, in der er betonte, dass ein Arzt immer auch die Schmerzlinderung als seine therapeutische Aufgabe sehen sollte.

Der im 16. Jahrhundert lebende französische Chirurg Ambroise Paré (1509-1590) behandelte als Militärchirurg Schussverletzungen nicht mehr wie damals üblich mit siedendem Öl und Brenneisen, sondern er band das Blutgefäß zur Blutstillung und Schmerzlinderung ab und reinigte die Wunde. Dies bewirkte eine schnellere Wundheilung, weniger Schmerzen und einen günstigeren Heilungsverlauf. Er soll auch beobachtete haben, dass eine positive Einstellung des Patienten das Operationsergebnis günstig beeinflusst. Die zu jener Zeit immer noch verbreitete Ansicht, dass Schmerz „ein gottgegebenes Übel“ sei, teilte Paré nicht. Er war der Ansicht, dass Gott dem Arzt die Mittel zur Behandlung gegeben hat und durch die Verwendung dieser Mittel Gott verherrlicht wird.

Der Philosoph Rene Descartes formulierte im 17. Jahrhundert ein erstes Konzept der Schmerzentstehung auf naturwissenschaftlicher Grundlage. Descartes  ging  davon  aus,  dass  der Schmerzreiz „mechanisch“ über Nervenbahnen in das Gehirn geleitet und dort als Schmerz wahrgenommen wird. Schmerz galt somit als ein körperliches Warnsignal und nicht mehr als Strafe für Sünden. Leider beeinflusste sein Denken auch die Sichtweise auf den Körper des Menschen als mit einer Maschine vergleichbar ohne eine Beteiligung der Seele/Psyche (mechanistisches Weltbild).
 

Im 18. Jahrhundert wurde auch der Einsatz von Elektrizität und Magnetismus wiederentdeckt. Der deutsche Arzt Johann Gottlieb Schaeffer (1720 -1795) veröffentlichte ein Buch über die Wirkung der Elektrizität im menschlichen Körper. Er beschreibt darin Erfolge u.a. bei Kopfschmerzen, Rheuma und Krämpfen. Die Behandlung mit Elektrizität war schon im antiken Rom bekannt. Damals benutzte man „elektrische“ Fische (u.a. Zitteraale, Zitterrochen) bei rheumatischen Beschwerden.

Franz Anton Messmer (1734–1815) arbeitete zunächst mit Magneten, welche er bei verschiedenen Krankheiten einsetzte. Messmer ging von einem magnetischen „Fluidum“ (ausstrahlende Wirkung) aus, welches sich über die Hand des Arztes auf den Patienten überträgt. Dabei fand er heraus, dass er auch ohne Magnete, nur indem er seine Hände auf den Patienten richtete, Heilerfolge nachweisen konnte. Ihm war zu dem Zeitpunkt nicht klar, dass seine „Einflüsterung“ und der Trancezustand des Patienten den Heilungsprozess psychisch ausgelöst hatten und nicht der Magnet. Der schottische Chirurg  James Braid gab im Jahr 1841 dieser Therapiemethode den Namen „Hypnose“ und operierte als Erster mit hypnotischer Schmerzkontrolle.

1806 gelang es dem deutschen Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner den eigentlichen Wirkstoff des Opiums, das Morphin, zu isolieren. Das Morphin galt als stark wirksames Schmerzmittel wurde aber auch zur Beruhigung eingesetzt, da der Wirkstoff sowohl eine dämpfende als auch euphorisierende (psychisch aufhellende) Wirkung haben kann. Allerdings war die Suchtgefahr von Morphin sehr hoch. Dieses Suchtpotenzial konnte erst 100 Jahre später durch die Herstellung von synthetischen Opioide gemildert werden. Um 1875 wurde erstmals über den Einsatz der aus der Weidenrinde gewonnenen Salicylsäure bei Polyarthritis berichtet. 1899 wurde das Aspirin von der Firma Bayer patentiert. Nun stand jedermann ein preiswertes und wirksames Schmerzmittel zur Verfügung. Die medizinische Verwendung des indischen Hanfes (Cannabis) wurde 1830 erstmals detailliert durch Theodor Friedrich Ludwig Nees (Prof. für Pharmazie und Botanik in Bonn) beschrieben. Später berichteten Ärzte von erfolgreichen Behandlungen bei einer Vielzahl von Schmerzerkrankungen, u.a. bei chronischen Schmerzen, Gelenkentzündungen, Migräne und bei Muskelkrämpfen.

Die heilkräftigen Effekte von Wasser kannte man ebenfalls schon seit der Antike, aber erst durch die Studien des „Kräuterpfarrers“ Sebastian Kneipp (1821–1897) wurde die Wirkung von Temperaturreizen auf das vegetative Nervensystem belegt. Er entwickelte später ein Behandlungskonzept bestehend aus Hydrotherapie (Wasser), Phytotherapie (Kräuter), Bewegung, Ernährung und Lebensordnung. Dieser naturheilkundliche Ansatz kommt heute in der Schmerzbehandlung zunehmend zur Anwendung.
 

Ein sehr großer Fortschritt für die operative Schmerzbehandlung war die offizielle Einführung der Betäubung mit Äther (Äthernarkose) durch die beiden amerikanischen Zahnärzte William Morton und Horace Wells im Jahr 1846. Bei einer Vorstellung mit Lachgas auf einem Jahrmarkt, hatte Horace Wells eine verringerte Schmerzempfindung nach Einatmung des Gases beobachtet. Er ließ sich selbst am nächsten Tag von seinem Assistenten einen Zahn unter Lachgasnarkose ziehen. Die Möglichkeit, schmerzlos operieren zu können, revolutionierte die gesamte operative Medizin, denn nun war es möglich, sorgfältig und ohne Zeitdruck zu operieren. Bereits 1847 wurden die ersten Äthernarkosen in Deutschland durchgeführt. Fast gleichzeitig wurde auch Chloroform als Narkosemittel entdeckt. John Snow, ein britischer Chirurg, machte dessen Anwendung dadurch populär, indem er 1853 mittels Chloroform Königin Victoria von England zur Geburt ihres achten Kindes verhalf. Chloroform besitzt nach heutigem Wissen eine schädigende Wirkung auf Herz, Leber und andere innere Organe und wird deshalb nicht mehr eingesetzt. Ungeachtet dieser medizinischen Erfolge hielt die damalige konservative Öffentlichkeit den Einsatz von Narkotika als einen Verstoß gegen die Gesetze der Natur. Auch die damaligen Überzeugungen, dass nur besonders „bittere“ Medizin helfen würde und dass Wunden schmerzen müssten, um zu heilen, lassen sich noch auf die tiefverwurzelten Glaubenskonzepte des Mittelalters zurückführen.

1884 führte der Augenarzt Carl Koller mit Hilfe von Kokain-Tropfen die Graue-Star-Operation erfolgreich am Auge durch. Damit gilt er in der Medizin als Wegbereiter der örtlichen Betäubung (Lokalanästhesie). Maßgeblich für die Weiterentwicklung der Schmerztherapie waren Untersuchungen des deutsch-österreichischen Physiologen Maximilian von Frei.  Er entdeckte in den 1890ern, dass es unter der Haut Schmerzpunkte gibt, die sogenannten Nozizeptoren. Nozizeptoren sind empfänglich für z.B. thermische, mechanische oder chemische Reize.

Maßgeblich für die Weiterentwicklung der Schmerztherapie waren Untersuchungen des deutsch-österreichischen Physiologen Maximilian von Frei.  Er entdeckte in den 1890ern, dass es unter der Haut Schmerzpunkte gibt, die sogenannten Nozizeptoren. Nozizeptoren sind empfänglich für z.B. thermische, mechanische oder chemische Reize.

Schmerzmedizin im 20. Jahrhundert

Der französischer Chirurg René Leriche prägte 1937 als erster den Begriff „Schmerzkrankheit“ bei andauernden Schmerzzuständen - „douleur maladie“. Er machte sich durch Untersuchungen über Stumpfschmerzen bei Amputierten einen Namen.
 

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden erstmals neurochirurgische Operationen durchgeführt, bei denen der Schmerz durch die Durchtrennung von Anteilen des Rückenmarks oder durch die Betäubung einzelner Lendenwirbelsäulenabschnitte oder per Gewebezerstörung z.B. durch elektrischen Strom ausgeschaltet werden konnte.

Der deutsche Physiologe Ulrich Ebbecke (1883–1960) forschte u.a. zur Physiologie des Schmerzes und gehört weltweit zu den ersten, die den Schmerz weitgehend nach dem heutigen Verständnis erklärten konnte. Für den akuten Schmerz ist nicht ein einzelnes Zentrum im Gehirn verantwortlich sondern ein Schmerznetzwerk, an dem Nerven unter der Haut, das Rückenmark, der Hirnstamm und das Großhirn beteiligt sind. Chronische Schmerzen wurden zunehmend als eigenständige Krankheit anerkannt und als solche von den Akutschmerzen unterschieden.

Im 2. Weltkrieg machte der amerikanische Arzt Henry Beechers eine für die Weiterentwicklung der neuzeitlichen Schmerztherapie bedeutende Beobachtung. Ihm war aufgefallen, dass stark verletzte Soldaten vergleichsweise weniger Morphin zur Schmerzreduzierung benötigten als Zivilpersonen mit ähnlichen Verletzungen in seinem Heimatkrankenhaus. Erklärung: Für die Zivilisten war die Operation der Beginn einer Tortur, während es für die verletzten Soldaten das Ende der Kampfhandlungen bedeutete. Damit wurde bestätigt, dass die Schwere der Verletzung nicht mit der Stärke der empfundenen Schmerzen in Zusammenhang stehen muss.
 

In Folge von mangelnden medizinischen Erfolgen bei der Behandlung von Dauerschmerzen bei heimgekehrten Kriegsverletzten eröffnete der amerikanische Anästhesist John Bonica im Jahr 1947 die erste interdisziplinäre Schmerzklinik, vergleichbar einer heutigen Schmerzambulanz. Er sah als einer der wenigen der damaligen Zeit, dass man Menschen mit einem Dauerschmerz nicht mit den üblichen Mitteln der Medizin helfen konnte. Bonica gilt daher als Begründer der „multi-disziplinären“ Behandlung bei chronischem Schmerz, denn in seiner Klink kooperierten u.a. Anästhesisten, Orthopäden, Neuro-Chirurgen, Psychologen und Physiotherapeuten.

Wissenschaftlich untermauert wurde sein Behandlungskonzept erst später u.a. durch Forschungen des Psychologen Ronald Melzack und des Physiologen Patrick Wall. Sie veröffentlichten 1965 die „gate control theory“ (gate = Tor). Die Theorie beschrieb, vereinfacht gesagt, u.a. hemmende Einflüsse im Rückenmark bei der Schmerzweiterleitung. Diese „Schmerzhemmung“ erfolgt über sogenannte endogene Endorphine (körpereigene Opiate), die 1975 nachgewiesen werden konnten. Durch die zentrale Verarbeitung von Schmerzreizen im Rückenmark und Gehirn wurde auch eine Wirkung  von Gefühlen und Gedanken auf das Schmerzerleben hervorgehoben. Nun konnten man sich auch die Phänomene wie den Placebo-Effekt, Hypnose oder die Kunst von Fakiren erklären. Die deutlich gewordene Notwendigkeit einer interdisziplinären Erforschung und Behandlung von Schmerzen veranlasste John Bonica 1973 zur Gründung der „Internationalen Vereinigung zum Studium des Schmerzes (IASP)“.

Der amerikanische Psychiater George L. Engel führte  Studien zum Einfluss von Gefühlen auf Krankheiten durch und  betrachtete Krankheiten als Folge psychisch-körperlichen Wechselwirkungen und prägte 1976 den Begriff vom „bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell“, welches auch auf Schmerzkrankheiten übertragen wurde. Schon 1954 betonte er den psychologischen Aspekt der Schmerzchronifizierung durch traumatische Erfahrungen in der Kindheit.

Nach der ersten medizinischen Nutzung von Röntgenstrahlen 1896 und des Ultraschalls in den 1940ern wurde ab den 1970ern als bildgebende Methoden die Computer-Tomografie (CT) entwickelt und zunehmend auch in der Schmerzforschung und -diagnostik eingesetzt. 1978 gelangen die ersten Schichtbilder eines menschlichen Gehirns. Durch technische Weiterentwicklungen in den 1990ern wurde es mögliche, die zentrale Schmerzverarbeitung im Rückenmark und Gehirn am Menschen in Echtzeit und bei vollem Bewusstsein sichtbar zu machen. So konnte z.B. bei Versuchspersonen, während sie eine sehr schwierige Denkaufgabe lösen sollten, beobachtet werden, dass eingehende Schmerzsignale in Form kontrollierter Hitzereize schon auf Rückenmarksebene gehemmt wurden. Für funktionelle Schmerzstörungen, wie das Fibromyalgie- oder das Reizdarmsyndrom, konnten so erstmals neben einer verstärken Schmerzverarbeitung gleichzeitig eine gestörter Schmerzhemmung „bildlich“ nachgewiesen werden.
 

CT-Bilder zeigten erstmals, dass bei starken Emotionen (z. B. bei Trauer, Beziehungskrisen oder Trennung vom Partner) ähnliche Hirnareale aktivieren werden wie bei körperliche Schmerzen.

Der amerikanische Schmerzforscher Dennis Turk kam im Jahr 1983 zu dem Ergebnis, dass die Erwartungshaltung des Schmerzpatienten ein Gradmesser für die erlebte Schmerzstärke und deren Folge ist. Dabei spielt die Selbstwirksamkeit (Self-efficacy), im Sinne von „Ich kann selbst meinen Schmerz beeinflussen“, eine große Rolle. Ein Verlust dieser Fähigkeit führt im ungünstigsten Fall zu einer überzogenen, dramatisierenden Wahrnehmung von Schmerz und damit zu seiner Verstärkung. Die deutschen Neuropsychologen Herta Flor und Niels Birbaumer erklären chronische Schmerzen der Skelettmuskulatur anhand des „Diathese-Stress-Modells“, der Wechselwirkung von Krankheitsveranlagung (z.B. genetische Faktoren) und Stress. Sie bestätigten auch, dass neue Verhaltenserfahrungen das Schmerzgedächtnis beeinflussen und zu einer Verringerung chronischer Schmerzen führen. Diese Fähigkeit des Gehirns, seine Struktur und Organisation an veränderte Voraussetzungen anzupassen, nennt man „Neuroplastizität“. Diese Zusammenhänge führten zu einer Weiterentwicklung verhaltens-medizinischer Behandlungskonzepte.

Wichtigste Bausteine einer Therapie chronischer Rückenschmerzen, so der schwedischen Orthopäde Alf Nachemson (1985), sollten die Aufklärung, die körperliche Aktivierung und die Ermutigung des Patienten sein. Die US-Orthopäde Tom Mayer und der Psychologe Robert Gatchel entwickelten im Jahr 1988 eine sportmedizinische Verhaltenstherapie, welche unter dem Namen „Functional-Restoration-Ansatz“ bekannt wurde. Bei diesem Konzept steht neben der Linderung von Schmerzen auch die Verbesserung der durch Schmerz eingeschränkten körperlichen, psychischen und sozialen Fähigkeiten im Vordergrund. In Folge dieser neuen Ansätze entstanden in Deutschland die „Rückenschulen“.
 

Die „International Association for the Study of Pain (IASP)“ definierte 1979 den Schmerz „als ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit  aktuellen und potentiellen Gewebeschädigungen verknüpft ist oder mit Begriffen solcher Schädigungen beschrieben wird“

In den letzten 15 Jahren hat sich im Rahmen der Verhaltenstherapie ein neuer Ansatz etabliert, der zunehmend auch Anwendung in der Behandlung von chronischen Schmerzen findet - die „Akzeptanz- und Commitment-Therapie“ (ACT). Sie wurde in ihren Grundzügen 1999 vom Psychologen Steven C. Hayes  entwickelt und betont, dass man die Schmerzen akzeptieren und die Aufmerksamkeit von den Schmerzen weg auf persönlich wichtige Ziele  lenken sollte. Diese Ziele sollten im Sinne einer inneren Selbstverpflichtung ein zufriedenes Leben trotz Schmerzen ermöglichen.
 

Mit bestem Dank an den Autor Hans-Günter Nobis