- Präsidium
- Wahlen 2024
- Bundesgeschäftsstelle
- Ständiger Beirat
- Fachbeirat
- Kommissionen
- Arbeitskreise
- IASP & EFIC
- Institutionelle Mitglieder
- Korrespondierende Mitgliedschaft
- Fördermitglieder
- Ehrenmitglieder
- Ehemalige Präsidenten
- Unsere Mitgliedschaften
- Satzung
- Geschäftsordnung
- Transparenz-Information
- Shop
Imagination
Die Fähigkeit eines Menschen, sich etwas vorstellen zu können, wird als Imagination bezeichnet. Wir bringen die Fähigkeit zur Imagination also bereits mit. Wenn von Imaginationen gesprochen wird, sind nicht nur die inneren Bilder und Gedanken gemeint. Auch das Hören, das Riechen, das Schmecken und das Fühlen sind über die Vorstellungskraft aufrufbar. Wenn wir das Wort „Zimt“ lesen, können wir sofort den Geruch dazu aufrufen, und vielleicht tauchen Erinnerungen und dann auch Bilder auf.
Innere Bilder und Vorstellungen sind entscheidend für das, was wir den ganzen Tag über erleben. Wenn ein Mensch unter Schmerzen leidet, so bestimmen die Bilder, wie er diesen Schmerz erlebt. Und gleichzeitig verändern die Gefühle eines Menschen wiederum die Bilder. Wenn Angst und Ohnmacht den Schmerz begleiten, entstehen Bilder zum Schmerz, die sich sehr von denen unterscheiden, die auftauchen, wenn ich diesen gleichen Schmerz zum Beispiel als eine gesunde Markierung einer Kraftgrenze wahrnehme. Interessant ist, dass diese inneren Bilder, die einen Schmerz begleiten, häufig gar nicht bewusst wahrgenommen werden. Die Angst vor einer unerkannten Erkrankung oder die Vorstellung von einer Verletzung lassen auch gesunde Empfindungen des Körpers zu einem Schmerzgefühl werden.
Wissenschaftliche Untersuchungen konnten nachweisen, dass während der Vorstellung eines Menschen im Gehirn die gleichen Prozesse ablaufen, wie wenn er etwas wirklich erlebt. Die Vorgänge scheinen nur etwas schwächer zu sein. Wenn ich also in meiner Vorstellung an einen Ort gehe, an dem ich mich wohl fühle, z.B. eine bergige Landschaft mit einem Waldweg, und wenn ich den Duft vom Waldboden wahrnehme, dann laufen in meinem Gehirn ähnliche Prozesse ab, als würde ich all diese Eindrücke an diesem Ort real erleben. Dieses Bilderleben funktioniert leider auch genauso intensiv bei Bildern von Schmerz und von Verletzungen.
Diese Prozesse sind auch vergleichbar mit dem, was in manchem Nachttraum geschieht. Vielleicht haben Sie schon einmal erlebt, dass Sie im sichersten Bett der Welt liegen, und gleichzeitig erleben Sie im Alptraum, wie Sie sich verfolgt und bedroht fühlen, und nach einer Weile wachen Sie auf. Sie erleben, dass Ihr ganzer Organismus mit in das Erleben einbezogen wurde. Sie sind schweißnass in Folge der Flucht, das Herz schlägt aufgrund der Bedrohung, die Gedanken rasen, die Muskeln sind angespannt, und Ihr ganzer Körper ist bereit zur Flucht. Damit wird deutlich, dass wir über innere Bilder und Vorstellungen unser Befinden beeinflussen. Das macht sich die Schmerzpsychotherapie mit Imaginationen zunutze.
Oft sieht es zu Beginn einer psychologischen Schmerztherapie so aus, als gäbe es nur einen Ton in der Wahrnehmungsmelodie und der heißt: „Schmerz“. Der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit ist so fest auf diesen Schmerz gerichtet, dass der Patient nichts anderes wahrnehmen kann. Eine Patientin berichtet, dass sie jeden Morgen nach dem Wachwerden als erstes schaut, was der Schmerz heute sagt. Sie schaut ängstlich nach innen und macht immer wieder die Erfahrung: „Er ist schon da.“ Oft sagen Patienten, dass sie erst durch die Schmerzerkrankung gelernt haben, auf diese inneren Prozesse zu achten.
In der Anfangsphase einer Therapie, die mit inneren Bildern arbeitet, empfinden viele Menschen die Aufforderung, sich einen angenehmen Ort vorzustellen, als Überforderung. Es will einfach nicht gelingen, weil diese Vorstellung zu weit entfernt ist von dem, was jetzt im Moment wahrnehmbar ist – und das ist der Schmerz. In der Therapie gehen wir dann von dem Bild aus, welches im Moment das Erleben bestimmt – gerade dann, wenn es Bilder zum Schmerz sind. Es ist interessant, dass wir auch mit dem Schmerzempfinden so arbeiten können wie mit den vorgestellten Bildern, den Imaginationen. Wenn der Therapeut fragt: „Welche Farbe hätte der Schmerz, wenn er eine Farbe hätte?“, taucht eine Farbe auf. Wie wäre es, wenn er ein Klang wäre, und ist der Schmerz ruhig, starr oder pulsierend?
Zu Beginn der therapeutischen Arbeit werden Sie vielleicht aufgefordert, sich für einen Moment auf die Atmung zu konzentrieren. Indem Sie das tun, lenken Sie den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit vom Schmerz weg hin zur Atmung. Dies kann ein erstes Gegengewicht zum Schmerz sein. Auch wenn der Schmerz stärker ist, ist es möglich, die Bewegung der Atmung wahrzunehmen. Danach entscheiden Sie, ob Sie die Augen schließen mögen. Eine bewusste Vorstellung ist auch mit geöffneten Augen möglich. Es kann hilfreich sein, die Muskulatur etwas zu lösen und zu entspannen, aber auch das ist nicht zwingend.
Die Therapeutin bittet Sie dann z.B., sich eine Landschaft, eine Farbe oder auch ein Motiv zum Schmerz vorzustellen, und zumeist machen Sie dann die Erfahrung, dass man nicht lange nachdenken muss: Welche Landschaft nehme ich denn? Sondern ein Bild taucht auf, ganz von alleine, und oftmals ist der Patient überrascht, welches Bild nun auftaucht. Indem Sie das Vorstellungsbild während der Imagination in Worte übersetzen, werden Gefühle und feste Gedanken sichtbarer, die sich über die Zeit hinweg zum Schmerz gesellt haben.
In dem Sie Ihre „inneren“ Vorstellungen kennenlernen, kommt es zu einer verbesserten Wahrnehmung des Körpers und der Gefühle. Sie werden die Erfahrung machen, dass Sie über Imaginationen die körperlichen Empfindungen von Gefühlen und von Gedanken unterscheiden lernen und bald auch besser steuern können. Wenn ein Schmerzpatient mehr Bewusstheit über die vertrauten Vorstellungen gewinnt und neue Imaginationen zu seinem Schmerz erprobt, kann er sich dem Schmerz gegenüber anders verhalten. Über ein neues Verhalten verändert sich auch die Qualität des Schmerzes, weil er nun einen anderen Platz im Gesamtkonzert der Bilder und Melodien im Organismus bekommt.